A 013/21 – Mental Health: Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben

Antragsteller: Benjamin Rausch

 

Der Landeskongress möge beschließen:

 

Psychische Krankheiten stellen schon lange ein signifikantes Problem unserer Gesellschaft dar. Sie mindern die Lebensqualität der Betroffenen massiv und können bis hin zu Eigen- und Fremdschädigung führen. Trotz der Auswirkungen der Krankheiten suchen sich viele Betroffene keine Hilfe aus Angst vor dem gesellschaftlich herrschendem Stigma oder aus Unwissen darüber, dass ihre Beschwerden krankheitsbedingt sind. Dazu steigt in der heutigen Zeit die Zahl der Erkrankungen. Jeder fünfte Jugendliche zeigt psychische Auffälligkeiten, 5 Prozent der Heranwachsenden erkranken an einer gravierenden psychischen Störung [dgvp.org]. Das deutsche Gesundheitssystem ist jetzt schon überfordert, genug Therapieplätze anzubieten. Um sowohl eine gute Lebensqualität sicherzustellen als auch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen abzuwenden, ist es notwendig, jetzt zu handeln.

Um hinreichend Therapieplätze zu schaffen und zu erhalten, fordern wir:

Ausbau der Ausbildungsplätze für Psychotherapeuten. Die durchschnittliche Wartezeit für ein Erstgespräch bei einem Therapeuten beträgt 12,5 Wochen, bis die Behandlung beginnt, vergehen nochmal knapp 3 Monate. Viele geben die Suche nach einem Therapeuten deswegen schnell auf und lassen ihre Beschwerden lieber unbehandelt. Um dies zu verhindern, müssen mehr Ausbildungsplätze für Therapeuten geschaffen werden, um der wachsenden Anfrage gerecht zu werden.

Abschaffung der Begrenzung der Anzahl der Kassenzulassungen für Psychotherapeuten und Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten für die Zulassung. Es gibt in Deutschland mehr qualifizierte Therapeuten als kassenrechtliche Zulassungen, da diese gesetzlich begrenzt sind und das Erlangen einer Zulassung teuer ist. Da primär nur Therapeuten mit Kassenzulassung von der Krankenkasse bezahlt werden müssen, schränkt dies die Kapazitäten unnötig ein. Eine Abschaffung dieser Beschränkung ermöglicht es die Wartezeiten zu senken, mehr Therapieplätze zu schaffen und die Qualität der Therapien durch einen freien Wettstreit zwischen den Psychotherapeuten zu erhöhen. Um es frisch approbierten Psychotherapeuten zu ermöglichen, ohne Kreditaufnahme und direkte Verschuldung die Zulassung zu erhalten, soll eine Finanzierungsmöglichkeit geschaffen werden, bei der der Bund einen Teil der Kosten übernimmt.

Schaffung persönlich besuchbarer Anlaufstellen für psychisch belastete Personen.Erste Anlaufstellen bieten Betroffenen die Möglichkeit, sich fachlich über ihre Symptomatiken zu informieren und können Hilfestellungen zum weiteren Vorgehen anbieten. Die momentan existierenden Telefonseelsorgen sind dafür nicht ausreichend. Eine Beratung durch Psychologen/Psychiater ist effizienter und für Personen, die zum Beispiel unter häuslicher Gewalt leiden, ist es nicht möglich sich an Telefonseelsorgen zu wenden, aus Angst, dass der Missbraucher es mitbekommt.

Finanzielle Unterstützung der Psychiatrien durch den Bund. Seit 1984 werden Krankenhäuser nicht mehr durch den Bund mitfinanziert. Um die Anzahl von Therapieplätzen in Kliniken zu erhöhen und die teilweise mehrere Jahre betragenden Wartezeiten zu senken, muss der Bund wieder Krankenhäuser finanziell unterstützen. Die Finanzierung durch die Länder soll dabei nicht abnehmen.

Mehr Geld für Forschungsprojekte zur Behandlung psychischer Krankheiten, vor allem für neuartige Behandlungsmethoden (e.g. Psilocybin, LSD, Ketamin). Eins der größten Problem der Psychiatrie ist, dass die aktuell verfügbaren und erprobten Medikamente keine ausreichend gute Behandlung ermöglichen. So sind sie entweder nicht wirksam genug (SSRI), haben starke, unangenehme Nebenwirkungen (SSRI, Neuroleptika), oder hohe gesundheitliche Risiken (Lithium, MAO-Hemmer) und verursachen teilweise irreversible Schäden (Neuroleptika). Trotz teilweise vielversprechenden Pilot Studien zur Behandlung mit anderen Substanzen (Psilocybin, LSD), wird die Erforschung erschwert, da oft das Geld für qualitative Studien fehlt.

Verstärkte Psychotherapie in Gefängnissen. Ein häufiger Grund für Straftaten sind unterschwellige psychische Probleme. Um die Lebensqualität zu steigern, und um eine erneute Straffälligkeit zu verhindern, sind Therapien für Gefängnisinsassen unabdinglich.

Schaffung psychotherapeutischer Angebote für Asylsuchende und Asylanten, entweder auf deren Muttersprache oder unter Teilhabe eines Dolmetschers. Die Rahmenbedingungen einer Flucht aus Kriegsgebieten stellen meist massiv traumatisierende Ereignisse dar. Um diese sinnvoll zu verarbeiten, ist eine Psychotherapie unabdinglich. Um diese zu ermöglichen, müssen spezielle Angebote geschaffen werden, welche den Geflüchteten die Aufarbeitung ihrer Erlebnisse in einem sicheren Umfeld ermöglichen.

Abgesehen von der niedrigen Anzahl von Therapieplätzen, ist das gelingen einer Behandlung durch die Rahmenbedingungen zur Abrechnung beschwert. Um dies zu ändern fordern wir:

Abschaffung der Notwendigkeit von Therapieanträgen. Vor Beginn einer Therapie muss ein Therapeut bei der Krankenkasse einen Antrag auf eine feste Anzahl von Stunden stellen. Nur wenn der Antrag genehmigt wird, kann die Therapie beginnen und kann auch nur die beantragte Anzahl an Stunden betragen. Diese Anträge stellen einen unnötigen bürokratischen Schritt da, der einen schnellen Therapiebeginn verhindert. Der Therapeut kann am besten einschätzen, ob eine Therapie notwendig ist und nach wenigen Erstgesprächen noch nicht abschätzen, wie viele Stunden sinnvoll sind.

Weitertherapie von Heranwachsenden durch Kinder-/Jugendtherapeuten ermöglichen. Die Therapie durch einen Kinder- und Jugendtherapeuten ist bis zum Alter von 21 Jahren beschränkt. Sind bis dahin die Probleme noch nicht ausreichend behandelt, ist es notwendig den Therapeuten zu wechseln, wodurch die Genesung erschwert wird.

Neben der Schaffung ausreichender Kapazitäten im Gesundheitssystem müssen das gesellschaftliche Stigma um psychische Krankheiten aufgehoben und Verhaltensweisen, welche das Entstehen psychischer Krankheiten fördern, bekämpft werden. Um die Lebensqualität dauerhaft betroffener Personen (zum Beispiel Personen innerhalb des autistischen Spektrums, ADHS-Betroffene, solche mit behandlungsresistenten psychische Erkrankungen) zu steigern und sicherzustellen, ist auch der richtige Umgang mit den betroffenen Personen und deren Symptomatiken notwendig. Dafür fordern wir:

  • Aufklärung über psychische Krankheiten in der Öffentlichkeit

Diese soll alle in der ICD enthaltenen Symptomatiken abdecken und durch Psychologen erfolgen. Durch eine umfassende Aufklärung werden psychische Krankheiten einfacher erkannt und der Umgang mit ihnen, beziehungsweise die Hilfestellungen, erleichtert. Auch ermöglicht dies eine einfachere Krankheitseinsicht, wodurch schneller und einfacher Hilfe gesucht werden kann.

1.) Aktive Anti-mobbing-Kampagnen in der Öffentlichkeit.Mobbing verursacht, vor allem im jungen Alter, psychische Schäden, die sich bis hin zu gravierenden Erkrankungen weiterentwickeln können (z. B. Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen). Um dies zu verhindern, muss über die Folgen von Mobbing aufgeklärt und dieses aktiv unterbunden werden.

2.) Verstärkte Aufklärung über LGBTQ+ Themen und spezielle Anlaufstellen für LGBTQ+ Jugendliche und Erwachsene mit psychischen Krankheiten. LGBTQ+ Jugendliche und Erwachsene sind auf Grund von Diskriminierung und (gefühlten) Ausschluss aus der Gesellschaft besonders von psychischen Problemen betroffen. Die Suizidgefahr bei LGBTQ+ ist um ein Vielfaches erhöht. Eine spezielle Anlaufstelle für LGBTQ+ Personen bietet einen sicheren Raum zur Hilfesuche, welcher oft nicht durch Angehörige und Freunde gegeben ist.

3.) Aufklärung von (werdenden) Eltern über mögliche, in der Kindheit auftretende Symptomatiken (z. B. Autismus/ADHS/Anpassungsstörungen) und Erklärung des richtigen Umgangs mit diesen (Differenzierung zwischen normalem und krankheitsbedingtem Verhalten).

> Ein nicht neurotypisches Kind kann für Eltern eine große Herausforderung darstellen. Doch auch das Kind leidet massiv, wenn die Eltern die unterschiedliche Denkweise nicht verstehen, bzw. nicht richtig mit der Symptomatik umgehen. So können sich komorbide Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen entwickeln. Um dies zu verhindern, ist eine Aufklärung der Eltern notwendig.

Des Weiteren sind viele Kinder und Jugendliche durch psychische Krankheiten betroffen beziehungsweise gefährdet betroffen zu werden. Um dies frühzeitig reduzieren und behandeln zu können fordern wir:

1.) Fortbildung der Lehrer in Umgang mit psychisch kranken Schülern. An jeder Schule soll ein Vertrauenslehrer eingesetzt werden, der sich regelmäßig in dem Themenbereich Mental Health fortbildet und den Schülern eine erste Anlaufstelle bietet. Der Lehrer steht unter Schweigepflicht.

2.) Einbau von Aufklärung über Psychische Krankheiten in passende Schulfächer. In Biologie in der Unterstufe soll über verschiedene Krankheiten gesprochen, Anzeichen genannt und Hilfsmöglichkeiten gegeben werden, sowie erste mögliche Anlaufstellen für Betroffene. In Sozialkunde soll der Umgang mit psychisch Kranken und Hilfsangebote in der Gesellschaft, wie z.B. Nachteilsausgleiche, besprochen werden.

3.) Vereinfachtes Erreichen von Nachteilsausgleichen. Auf Antrag der in 1. genannten Vertrauensperson soll es Schülern möglich sein, statt schriftlichen Überprüfungen Hausarbeiten anzufertigen, bzw. mündliche Überprüfungen abzulegen.

4.) Bereitstellung des Lernmaterials. Lehrer sollen auf Nachfrage (evtl. durch die Vertrauensperson) Schülern ausgedruckte Mitschriften ihrer Stunden ausgeben müssen, die alle behandelten klausurrelevanten Themen beinhalten. Aufnahmen der Schulstunden/Vorlesungen sollen Online zur Verfügung gestellt werden.

5.) Fakultative Hausaufgaben. Hausaufgaben sollten im Rahmen des Nachteilsausgleichs auf freiwilliger Basis gemacht werden, um die Betroffenen in ihrem Alltag zu entlasten.

6.) Aufhebung der Anwesenheitspflicht. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten sollen, so lange entweder die in 4. genannte Vertrauensperson oder ein Therapeut/Psychiater dies unterstützt, Kinder von der Anwesenheitspflicht in Schulen befreit werden können. Die Teilnahme an Prüfungen (mündlich, schriftlich oder in Form einer Hausarbeit) ist dabei weiterhin verpflichtend. Anstatt der Anwesenheit müssen äquivalente Leistungsnachweise erfolgen (z. B. Bearbeitung von durch das Lehrpersonal zur Verfügung gestellte Aufgaben).